Der erste Jane’s Talk in Worten!

Am 26. April öffnete die Wiener Planungswerkstatt das erste Mal für unseren Jane’s Talk ihre Pforten. Im Rahmen der Podiumsdiskussion mit dem Titel „Wie(n) gehts?“ wurde gemeinsam mit vielen neugierigen StadterkundlerInnen aus dem Publikum und vier Expertinnen der Theorie als auch der Praxis des Zu-Fuß-Gehens in Wien auf den Zahn gefühlt.

Von der Theorie des Zu-Fuß-Gehens…

Cornelia Dlabaja, ihres Zeichens Stadtsoziologin, beschäftigt sich tagtäglich mit der kultur- und stadtsoziologischen Sichtweise urbaner Erkundungen und des Gehens in der Stadt. Da Wien durch sein historisches Erbe, seine Grün- und Freiräume und seine vielfältigen Grätzln schon immer zum Spazieren einlud, hat sie für uns ein bisschen in der Vergangenheit gestöbert und uns mit der Figur „des Flaneurs“ bekannt gemacht. „Das was dem Wiener das Kaffeehaus ist, ist dem Pariser der Flaneur“ (Walter Benjamin).

„Es geht um die Wahrnehmung und um die Beschreibung des Urbanen, denn genauso wie der Flaneur in Benjamins Passagenwerk flanieren auch die BewohnerInnen einer Stadt durch den Raum. Die Straße wird zur Wohnung des Flaneurs, zu einem kulturellen Entdeckungsraum und zu einem Spielraum der NutzerInnen.“

Begibt man sich nun auf die Suche der Wurzeln der Stadtsoziologie und der Spaziergängerwissenschaft, so trifft man unweigerlich auf die School of Chicago mit ihren Neighbourhood studies und den Namen Lucius Burckhardt, welcher für uns die Brücke zur Praxis des Gehens schlägt. Dabei ergeben sich Fragen über Fragen: Wie bewegen wir uns eigentlich in der Stadt? Wie kann die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum gesteigert werden? Und was haben eigentlich Initiativen wie Jane’s Walk und die Theorien von Jane Jacobs aus den 60er-Jahren damit zu tun?

Wer Jane Jacobs war, wisst ihr als urbanophile und aufmerksame Jane’s WalkerInnen sicher bereits – sie plädierte für den Erhalt der Lebendigkeit von Stadtquartieren, Nutzungsmischungen und eine Maßstäblichkeit einer Stadt, welche sich am Fußgänger orientieren sollte. All das macht Lust am Urbanen.

…zur Praxis des Zu-Fuß-Gehens

„Wow, eine Initiative nur zum Zu-Fuß-Gehen – und das in Wien. Das kann nur gut sein.“ – das war die Reaktion von Petra Jens, als sie das erste Mal von Janes Walk Vienna erfahren hat. (Insider wissen nun, dass sie am selben Tag Geburtstag hat wie unsere liebe Jane) Sie ist Fußgängerbeauftragte von Wien und nein, sie bringt Leuten nicht bei wie man geht sondern sie weiß alles, wenn es um Zahlen und Fakten des Zu-Fuß-Gehens in Wien geht.

„80:20“ – Das ist die Vision der Stadt Wien bis zum Jahre 2025. Umweltfreundliche Mobilität soll weiterhin gefördert und der Gebrauch des privaten PKWs eingedämmt werden. Betrachtet man nun den statistischen Zu-Fuß-Geher, so ist dieser meist weiblich, altersmäßig in der Blüte seines Lebens und legt vor allem seine Freizeitwege (Kultur-, Grün- und Besuchswege) per Fuß zurück.

Wie können wir nun das Zu-Fuß-Gehen weiter schmackhaft machen? – dies ist eine der zentralen Fragen von Petra Jens und ihrem Team der Mobilitätsagentur und hat bereits zu tollen Initiativen wie der 1. Wiener Fußwegekarte, der Wien zu Fuß-App oder den beliebten Geh-Cafés geführt. (Hast du gewusst, dass im Gehen die Verbindungen zwischen rechter und linker Gehirnhälfte besonders angeregt und gefördert werden?- Wahnsinn!)

Einblicke aus der Stadt- und Verkehrsplanung

Welches Umdenken im Kopf der Verkehrsplaner bereits stattgefunden hat und welche großen Potentiale es noch auszuschöpfen gilt, davon kann Eva Kail (Stadt Wien) ein Liedchen singen. Sie war dabei, als der öffentliche Verkehr noch in den Kinderschuhen der Stadtplanung steckte, als man sich über heute selbstverständliche Dinge wie Ampelphasen und Gehsteigbreiten noch den Kopf zerbrochen hat. „Langsam aber doch war der öffentliche Verkehr & Radfahren ein Thema. Das Zu-Fuß-Gehen war jedoch weiterhin ein blinder Fleck! (…) Zudem war öffentlicher Raum lange Zeit Männersache, Privates war weiblich.“

Auf wie vielen Ebenen man in der Praxis ansetzen kann, weiß Andrea Weninger. Sie ist Expertin wenn es um die Qualität des Zu-Fuß Gehens in den neuen Stadtentwicklungsgebieten von Wien geht. Auf die Problematik, dass gerade hier das Leben im öffentlichen Raum noch nicht zur Gänze stattfindet und die Frage, ob es dort genauso gut funktionieren kann wie in der gebauten Stadt, antwortet sie zuversichtlich mit „Ja“. „Es wird funktionieren, es ist ja in gewisser Weise auch eine gebaute Stadt! Vielleicht nur anders als sonst, da die Nutzung und deren Ansprüche vielleicht auch andere sind.“

Eine vielfältige Diskussion

Trotzdem nehmen Autos noch immer viel Platz im Stadtraum ein. „Auch damals waren die Straßen nicht für das Abstellen privater PKWs konzipiert, in der Monarchie wurde dies sogar mit Kerkerhaft bestraft“, kontert Petra Jens. Kutschen durften für Haltezwecke auf der Straße stehen, wenn das Pferd vorne eingespannt war. Dies hat man heute einfach bequem umgemünzt: „Der Motor ist heute sozusagen das Pferd von früher. Der Motor ist ja eh immer im Fahrzeug drinnen, also ist es ja ganz logisch, dass das Auto auch hier stehen darf.“

Wie viele Stellplätze soll ich im öffentlichen Raum anbieten? Wie groß soll der öffentliche Raum dimensioniert werden? Der Grund warum viele Stadterneuerungsgebiete fremd und künstlich auf uns wirken liegt für Eva Kail auf der Hand: Es ist die Überdimensionierung und die Großmaßstäblichkeit – den richtigen Maßstab zu finden ist eine extrem schwierige Sache.

Auch auf die Frage wie man in Zeiten einer wachsenden Großstadt mit steigendem Fußgängeraufkommen umgeht, gibt es Antworten: „Es braucht Entlastungsgründe wie Radverkehrsinfrastruktur, entlastete Hotspots wie die Mahü und den Schwedenplatz, aber auch kleine Initiativen wie andere Sitzaufteilungen in U-Bahn Garnituren. Vieles ist noch möglich.“

Es ist wichtig die Außenbezirke mit Qualität auszustatten, da die Verkehrszukunft sehr stark am Stadtrand entschieden wird. Dass das natürlich auch eine budgetäre Herausforderung für die Bezirke bedeutet, ist auch allen klar. „Zu-Fuß-Gehen ist im Bewusstsein noch so weit unten, dass man budgetär keine großen Schritte machen kann“ und „Nur weil wir immer mehr werden, räumt man den Menschen nicht automatisch mehr Platz zum Gehen ein“.

Zudem besitzen BewohnerInnen der Außenbezirke zumeist noch einen anderen Zugang zum Auto. „Die Menschen wollen schon Gehen aber sie haben die Zeit dafür nicht, weil das Stadtgewebe nach außen hin immer loser wird“, weiß Cornelia Dlabaja. Man kommt somit in der Diskussion zu dem Schluss, dass eine Urbanisierung des Stadtrandes von Nöten sei.

Man muss den Leuten mehr Ideen und Möglichkeiten geben, wie sie sich im öffentlichen Raum bewegen können, man muss  generelle Ressonanz schaffen, den Blick und die Wahrnehmung schärfen und sich über die guten und schlechten Seiten im eigenen Grätzel austauschen. All das vereint auch Jane’s Walk in seinen Ideen und bei seinen Stadtspaziergängen also lasst uns gemeinsam gehen!

Vielen Dank allen BesucherInnen, den vier Diskutantinnen und allen, die zum Gelingen des ersten Jane’s Talk beigetragen haben! Mehr Fotos dieses Abends findet ihr hier: Der erste Jane’s Talk in Bildern!

Und hier gibt es die Slides der beiden Input-Vorträge als Download:

Text: Corinna Wachtberger. Fotos: Sarah-Maria Schmitt.